GESCHICHTEN -2-


Zack und Jocki

Hunderte von ihnen waren durch die Wüste ins Land gereist, weil ihre Heimat im Norden nach einem langen Krieg und der darauf folgenden Dürre sie nicht mehr hatte ernähren können. Zack war Ansprechpartner der für das Bauwesen verantwortlichen Beamten und Chefaufseher der Arbeitskräfte aus den Norden, die zusammen mit Einwanderern aus den umliegenden Ländern für den Herrscher in der Hauptstadt am grossen Fluss riesige Stadtbefestigungen und Tempel bauten.

Zack wirkte stets etwas schlecht gelaunt, verwickelte sich gerne in Kompetenzgerangel und drängte alle, sich zu seinem Glauben zu bekehren: «Eure Götter sind Götzen, schwört dem Frevel ab und huldigt dem einzigen Gott!» Er nervte und wäre längst abgesetzt worden, hätte er nicht eine Eingreiftruppe angeworben, die, gut genährt und gut trainiert, seine Interessen gegenüber seinen Leuten und den Beamten mit Tricks, Lügen, Intrigen, Drohungen, Schlägen und Messern durchsetzte. Es gelang ihm auch, die Verteilung von beliebten und wichtigen Pflanzenpräparaten für Rituale, Medizin, Entspannung und Ausdauer bei der Arbeit unter seine Kontrolle zu bringen.

Die Mythen über die Entstehung der Welt und der Lebewesen und über die Lebensweise ihrer Ahnen gestaltete er um und erzählte sie neu als Abenteuer- und Kriegsgeschichten rücksichtsloser männlicher Helden und Kolonisatoren. Den Einwanderern aus den nördlichen Gebieten versprach er, sie wieder in die verlassene Heimat zurückzuführen und diese zum blühenden Paradies zu machen. Bei jeder Gelegenheit wiederholte er, für seinen Gott seien sie das auserwählte Volk und der habe ihm die Herrschaft über ein riesiges Reich versprochen. Er hielt seine Leute an, sich dieses Privilegs bewusst zu sein, Distanz zu den Fremden zu halten und sich nicht mehr mit ihnen zu vermischen.

Zacks Macht stiess bald an Grenzen. Nach mehreren kleinen Ungeschicklichkeiten liess er sich ein grösseres Vergehen zu Schulden kommen. Er hatte für sich und seine Miliz jüngere Prostituierte eines höheren Stands gefordert und nicht bekommen. Sofort drohte er mit dem Entführen und Umbringen von zwanzig Tempeldienerinnen. Ein paar Jahre vorher war ein relativ hoher Beamter ermordet worden, den er kurz vorher verbal massiv bedroht hatte. Polizei und Gerichte hatten ihm nichts beweisen können und den Fall ruhen lassen. Mit der zunehmenden Isolation der Nordischen wurden diese von der einheimischen Bevölkerung und den Behörden unter Generalverdacht gestellt, kleinere Vergehen wurden automatisch ihnen angelastet. Konnten sie einen erwischen, musste dieser mit harter Bestrafung rechnen.

Der Bauleiter gelangte wegen der unerhörten Drohung ans Gericht und verklagte den Chefaufseher; Zack und die Immigranten aus dem Norden wurden des Landes verwiesen. Wagen, Vieh, Vorräte, Werkzeuge und Hausrat durften sie auf ihre Reise durch die Wüste mitnehmen. Vor der Abreise bestach er noch den Hauptmann eines Trupps Soldaten, der fünfzehn Meilen ausserhalb der Hauptstadt einen Angriff auf sie ausführen sollte, der fehl schlagen sollte. Der Angriff und die schmähliche Niederlage fanden statt, der gekaufte Trupp wurde in die Flucht geschlagen und ein paar Soldaten demonstrativ umgebracht. Zacks Bewaffnete unter der Führung von Jocki dem Schlächter spielten sich einmal mehr als gloriose Retter des auserwählten Volks auf.

Der Chef und seine Leute zogen sich am dritten Tag der Reise nach viel Geheimniskrämerei, Wichtigtuerei, leeren Versprechen, moralischen Ermahnungen und Androhungen von grausamen Strafen auf einen hohen Berg zurück. Ihre Abwesenheit begann sich in die Länge zu ziehen. Ein Teil der Leute war eingeschüchtert und wartete devot auf die Rückkehr der Herren. Ein weiterer Teil wollte die Gelegenheit benützen und das Fruchtbarkeitsfest feiern, das Zack als Frevel und Unzucht beschimpft hatte. Ein paar Verwegene wollten die Schlächter überrumpeln und töten und beschimpften jene als Feiglinge und Verräter, die ihr Vorhaben nicht unterstützten. Ein paar hatten die Nase voll und setzten sich eilig ab in eine der nächsten Oasen.

«Dieser Kerl mit seiner Sekte und seinem Gott geht mir immer mehr auf die Nerven», sagte der Vorarbeiter zum Magaziner und zum Schreiber, «seit Jahren macht er uns Angst und zwingt uns seinen Willen auf.» Die Drei waren viel unter sich und verhielten sich klug und unauffällig. Sie waren nicht bereit, weiterhin die sturen Regeln, die ständigen Verdächtigungen, Erniedrigungen und Strafen wie Auspeitschen und Steinigen zu dulden. Der Magaziner schlug vor, sich noch vor dem Morgengrauen aus dem Staub zu machen und fügte dazu: «Wenn die Kerle zurückkommen, werden sie wieder ihre Einschüchterungsnummer mit Schlachtgetöse, Feuerwerk und Budenzauber abziehen und sich etliche Opfer für ihre grausamen Bestrafungen aussuchen.»

Die Sekte hatte es bereits vor der Auswanderung gegeben, sie hatte sich zwar wichtig gemacht, aber war belächelt worden und klein geblieben. Die Patriarchalen waren langsam aber sicher stärker geworden und verlangten die Unterordnung der Frauen unter die Männer, der Kinder unter die Erwachsenen, der Schwachen unter die Starken, verketzerten die freie, subtil kultisch eingebettete und geregelte Sexualität. Sexuelle Beziehungen zwischen Männern und zwischen Frauen wurden plötzlich als verludert und schädlich hingestellt, weil sie dem Gott angeblich nicht gefielen.

«Leute wie die konnten wir früher von ihrem arroganten Trip herunterholen und wieder in die Gemeinschaft integrieren, und das machten unsere Vorfahren über viele Jahrtausende auch so; gegenseitige Hilfe und das kluge Ausgleichen der Interessen hielt uns zusammen», erinnerte sich der Schreiber. Den Aufseher störte enorm, dass sie an einen abstrakten und gewalttätigen Gott im Himmel glauben sollten: «Ich bin mit den Seelen der Steine, Pflanzen, Tiere, der Berge und der Landschaft, der Erde, des Wassers und der Luft verbunden.» «Diese Deppen wollen Himmel und Erde und alles, was zusammen gehört, auseinander reissen», empörte sich der Magaziner. «Sie spielen die Leute gegeneinander aus», sagte der Aufseher und schüttelte den Kopf, «und treiben sie vor sich her. Sie sind darin schlimmer als die Herren mit den vielen Göttern, die wir hinter uns gelassen haben

Die Drei waren zum raschen Aufbruch bereit. Sie stammten aus einer etwas abgelegenen Gegend der alten Heimat, die sie so schnell wie möglich erreichen wollten, um die Leute vor den Rechthabern und Schlächtern zu warnen. Sie ahnten nicht, dass rücksichtslose Macher wie Zack und Jocki die Entwicklung der menschlichen Gemeinschaften der nächsten Jahrtausende bestimmen und den Planeten dramatisch verändern sollten.

©Text+Fotos Damian Bugmann 2016


Mehr zum Thema:        Seite  SPIRITUALITÄT






Patriarchat
gestern und heute

Menschen gibt es seit zwei Millionen Jahren und sie lebten den weitaus grössten Teil dieser Zeit in gleichberechtigten, dezentralen, vernetzten Gesell-schaften, in denen die Frauen sozial und kultisch im Zentrum standen, weil sie neues Leben hervorbringen konnten (matrizentrische Gesellschaften). Ganzheitliche Rituale balancierten aus und sorgten dafür, dass weder Reichtum noch Privilegien, weder Gewalt noch Krieg entstehen konnten.

Mythenfälschungen
Dieses ganzheitliche Zusammen- leben wurde im Lauf der Zeit aufgebrochen. Hierarchische, gewalttätige, also patriarchale Gesellschaften, entstanden und verschwanden seit der späten Jungsteinzeit da und dort auf dem Planeten und begannen sich in
der Antike zu verbreiten. Das neue Zusammenleben wurde den Menschen von den neuen Herren Jahrhunderte lang eingebläut mit viel krimineller Energie, List, Gewalt und dem Fälschen der alten Mythen über die Entstehung der Erde und der Lebewesen und über die gesellschaftliche Organisation der Ahnen. In patriarchalen Mythenfälschungen in Schriften wie Bibel, Koran, Ilias, Odyssee werden Männer zu Göttern und Helden stilisiert und über die Frauen gestellt; es sind dort nicht mehr Urmütter, die Menschen gebären, sondern Götterväter, die Leben schaffen.

Wettbewerbsreligion
Heute sind die Unter-werfungsmethoden meist sehr subtil, die Untertanen haben die Herrschaft weitgehend verinnerlicht und glauben frei und unabhängig zu sein. Die patriarchale Herrschaft ist dank seinen immer raffinierteren Methoden in der neuen Form der kapitalistischen Konsum-, Wachstums- und Wettbewerbs-religion an einem Höhepunkt angelangt.

In der Geschichte ZACK UND JOCKI (links auf dieser Seite) aus den brachialen Anfängen dieses Prozesses der Zivilisierung und Unterwerfung halte ich mich zum Teil an einen monotheistischen patriarchalen Mythos, der durch Hollywood weit verbreitet und einem breiten Publikum schmackhaft gemacht wurde.

© Damian Bugmann 2016

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Aus meiner Facebook-Serie „Gespräche“

GESPRÄCHE 9:
Götterhimmel

T.: Gott ist einfach eine Realität und gehört zu unserer Kultur, sogar zu vielen anderen Kulturen.

D.: Dass es nicht nur Materie gibt, ist wohl nicht weg zu diskutieren.

T.: Für einmal widersprichst du mir nicht.

D.: Es kommt noch mehr: Die heute dominierende Art der Darstellung der Energien, Geister, Seelen, die in und um uns herum sind, entspricht voll dem hochmaterialistischen, hoch- patriarchalen Zeitalter: Ein omnipotenter Göttervater und ein Götterhimmel, voll von meist männlichen Göttern und Halb- göttern: Kaisern, Königen, Päpsten, Generälen, Richtern, Präsidenten, CEOs, Fussball- und Popstars, miteinander verbunden durch Korruption, Kameradschaft, Konkurrenz und Krieg.

T.: Es menschelt überall. Was ist daran so schlimm?

D.: Dass wir diesen Götterhimmel mit unseren Seelen füttern.

© Damian Bugmann 2015
Citoyens, Citoyennes, sozialistische Zivilgesellschaft jetzt!

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